Jorge Bucay: „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ – Buchtipp

von Nicky
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Als Kind von den Eltern eine gute Nacht Geschichte vorgelesen zu bekommen, war in jungen Jahren der krönende Abschluss des Tages. Wie es ist, als Mittdreißiger:in erneut in diese Welt einzutauchen und selbst täglich Geschichten – zwar nicht über Zauberer und Fabelwesen – doch über das Leben per se zu lesen, konnte ich unlängst dank Jorge Bucays „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ erleben.

Auf das Buch des argentinischen Psycho- und Gestalttherapeuten Jorge Bucay hat mich eine ehemalige Kommilitonin aufmerksam gemacht, die mich mit einem einzigen Zitat aus dem Buch davon überzeugt hat, mir zumindest eine Leseprobe auf meinen Kindle zu laden. Das Zitat lautete wie folgt:

Der einzige Weg herauszufinden, ob du etwas kannst oder nicht, ist, es auszuprobieren, und zwar mit vollem Einsatz. Aus ganzem Herzen!“

Klar! Natürlich! Wie recht du hast! Nachdem mich neben dem Zitat auch die Leseprobe zu „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ überzeugt hat, bin ich immer weiter eingestiegen in diese fabelhafte Welt der Selbstreflexion durch einfaches Lesen zauberhafter und spannender Geschichten. Geschichten, die einen zum Nachdenken bringen, Geschichten, in die man sich unweigerlich verliebt, Geschichten, die einen das wirklich Wichtige im Leben erkennen lassen.

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt:

Wir begleiten den jungen Mann Demian bei seinen Treffen mit dem Psychotherapeuten Jorge, der für jedes Problem, mit dem Demian zu ihm kommt, eine Geschichte parat hat. Der „Dicke“, wie Jorge von Demian genannt wird, schafft es auf schwierige Fragen und Situationen im Leben eine einfache und klare Antwort zu finden, die den jungen Mann stets in Gedanken zurücklässt. Seine Ratschläge verpackt der Psychoanalytiker in tiefgründige Geschichten, die auf Sagen der klassischen Antike, bekannten Märchen aus aller Welt, Zen-Weisheiten aus Japan und China oder Sufi-Gleichnissen beruhen.

Kompliziertes einfach dargestellt

Das Schöne an „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ ist, dass es sich leichtfüßig lesen lässt. Man wird nicht vom Tiefsinn, der sich darin verbirgt, erschlagen. Da jedes Kapitel eine Erzählung umfasst, lässt es sich auch hervorragend in Etappen lesen. Selbst die letzten zehn Minuten vor dem Schlafengehen eignen sich ideal, um noch einmal in dem Buch zu schmökern. Aber nur, wenn du nicht der Typ bist, der stundenlang über das zuletzt Gelesene nachdenkt. Denn das wird vermutlich passieren…

Eine meiner liebsten Geschichten in dem Buch heißt „Die Uhr, die auf sieben Uhr stehenblieb“, in der wir den Monolog eines Menschen erlesen, der einsam in seinem Zimmer sitzt und schreibt. An einer der Wände hängt eine alte, kaputte Uhr, deren Zeiger auf Punkt sieben Uhr stehengeblieben sind.

Die meiste Zeit ist diese Uhr nur ein nutzloser Schmuck an einer leeren weißen Wand. Trotzdem gibt es zwei Momente am Tag, zwei flüchtige Augenblicke, in denen die alte Uhr aufzuerstehen scheint wie ein Phönix aus der Asche. Wenn alle Uhren der Stadt in ihrer einwandfreien Gangart sieben Uhr anzeigen und ihre Kuckucks und Läutwerke sieben mal ihren Klang vernehmen lassen, scheint die Uhr in meinem Zimmer langsam zum Leben zu erwachen. Zweimal am Tag, morgens und abends, fühlt sie sich in komplettem Einklang mit dem Rest des Universums.

Jemand, der die Uhr in genau diesem Moment ansieht, müsste denken, dass sie perfekt funktioniert… aber sobald dieser Moment vorbei ist, wenn die übrigen Uhren ihren Klang einstellen und die Zeiger weiter ihren monotonen Gang gehen, verliert meine Uhr ihren Schritt und verharrt treu dort, wo sie einst stehengeblieben war.

Ohne auf das Geschriebene näher einzugehen, möchte ich an dieser Stelle noch einmal eine klare Empfehlung für „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay* aussprechen. Das Spannende ist natürlich auch, dass jeder aus den Erzählungen seine eigenen Lehren ziehen und neues Wissen mitnehmen wird – je nachdem, an welchem Punkt er oder sie im Leben steht.

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